Donnerstag, 3. September 2015

Früher war alles besser...

Eines Mittags kam ein junges Kind weinend nach Hause. Die Eltern wunderten sich, fragten, was passiert sei. Das Kind beschwerte sich, der Tag sei nicht so schön gewesen wie der Tag zuvor, und erst recht nicht so schön wie derselbe Tag ein Jahr zuvor. Die Eltern waren verwundert, wussten erst nicht, was sie darauf antworten sollten. Nach einiger Zeit kam ihnen die Idee, dem Kind eine Geschichte zu erzählen:

Es gab einmal einen Maler, der so viel Spaß am Malen hatte, dass er die schönsten Bilder malte, und mit der Zeit erkannte, dass er, je schöner das Bild war, auch desto mehr Spaß am Malen hatte und damit auch noch erfolgreicher wurde. Allerdings geschah das, was früher oder später immer geschehen musste: Ein Bild, von dem er sich so viel erhofft hatte, sollte einfach nicht so werden, wie er sich das vorstellte. Je länger er am Bild arbeitete, desto weniger Spaß machte ihm das Malen, und als das Gemälde fertig war, klopften ihm Kunstkenner nur auf die Schulter, und sagten, beim nächsten Mal werde es wieder besser. Das machte ihn so traurig, dass er erst gar nicht mehr malen wollte, und als er es doch wieder tat, ähnelten die Bilder seinen älteren Werken. Sie waren schön, keine Frage, doch verlor er sich mehr und mehr in einer Eintönigkeit, bis er irgendwann verkündete, dass er nie mehr ein anderes Bild malen wolle.
Doch es kam der Tag, an dem er feststellte, dass er das Problem damit nicht gelöst, sondern sich nur vor ihm versteckt hatte. Wütend trat er nach den Farbeimern und Pinseln, die Farbe ergoss sich im ganzen Raum und einige Leinwände wurden bespritzt. Er lachte. Das hatte er noch nie so gemacht. Aber es gefiel ihm. Es machte ihm Spaß.
Die Kunstkritiker waren nicht von jedem Bild begeistert, doch das war ihm egal, denn er hatte erkannt, dass es nicht darauf ankam, wie sie es fanden. Er hatte erkannt, dass zwar nicht jedes Bild gut werden konnte, aber dass sie alle besonders waren, und dass er sich nicht an alte Werke zu klammern brauchte.

Als die Eltern mit ihrer Geschichte fertig waren, sah sie das Kind mit großen Augen an, die heiße Schokolade war bereits leer, und es begann nachdenklich zu gucken. Dann lachte es und meinte, dass sie der Maler sei und sie morgen einfach nur ein neues Bild malen müsse, dass ihr Spaß bereite. Auch das große Geschwisterkind hatte die Geschichte gehört und dachte sich im Stillen, dass es aufhören werde, sich von den Kritikern den Tag verderben zu lassen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen