Donnerstag, 3. September 2015

Die Straße in der Wüste

Wie ich dort lande, weiß ich nicht. Ich stehe einfach dort und die Straße ist unendlich lang. Und am Anfang ist sie immer geradeaus. Wenn ich zurückblicke, kann sie exakte Konturen annehmen und endet im Horizont, richte ich meinen Blick nach vorne, ist es, als sähe ich eine Fata Morgana. Ich kann eine Straße erahnen, doch ist dort keine, weil sie noch von Sand bedeckt ist.
Wenn ich zurückgehe, dann verändert sich die Straße. Sie ist nicht mehr gerade, sie hat Kurven, Abzweigungen und auch einige wenige Schlaglöcher. Ich kann einer Abzweigung folgen, dort gibt es mehr als nur den Sand und die Straße. Es gibt ein Museum, eine Anlage, eine Küche, ein Theater, ein Kino, Bücher und andere verschiedene Dinge. Wenn ich ins Museum gehe, kann ich dort Bilder, Skulpturen, Monumente und Gemälde bestaunen. Trete ich zum Beispiel nahe an ein Bilder heran, kann ich sehen, was vorher kam, und was nach der Szene geschah. Doch die Dinge im Museum sind bewusst unbewegt. Sie sollen eben nur diesen einen Moment einfangen. Alle Ausstellungsstücke stellen etwas besonderes dar, und wenn ich sie sehe, kann ich spüren, wie sie mich tief im Inneren berühren.
Neben der Anlagen liegt eine Fernbedienung, mit der ich mich gut zurechtfinden kann. Es gibt zwar eine Tracklist, doch da immer neue Stücke dazukommen, sie die ersten Seiten vergilbt und die letzten strahlend weiß. Leider kann ich auch nicht mehr alle Lieder hören. Sie hat einen unglaublich guten Sound, doch beizeiten gibt sie die Dinge nicht so wieder, wie sie aufgespielt wurden. Es ist, als wollte ich, dass sich das Stück ändert. Meistens merke ich mir die Änderung und das Original, doch je älter ein Stück ist, desto mehr verschmelzen das, was ich hören möchte und das, was ich wohl mal gehört habe.
Das Theater ist wohl der eindrucksvollste Ort. Dort kann ich sowohl Regisseur als auch Zuschauer sein. Hin und wieder kann ich das Stück verändern, auch wenn es mit seiner Uraufführung bereits in die Geschichte eingegangen ist. Ich bin mir hin und wieder sicher, dass eine andere Variante besser angekommen wäre, aber beim Publikum zählt nur der erste Auftritt, sie sehen nur die erste Aufführung. Manchmal macht es mich traurig, dass ich die Stücke nicht mehr ändern kann, doch meistens bin ich mir sicher, dass ich aus ihnen viel gelernt habe, was mir hilft, wirklich gute Stücke zu erarbeiten.
Im Kino ist es anders, hier lässt sich der Film nicht mehr bearbeiten. Ich setze mich hin, wähle einen Film und bekomme meine Vorstellung. Ich habe Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte, doch kann ich nichts mehr am Film ändern. Manchmal sehe ich mir bewusst traurige oder verstörende Filme an, meistens sind es aber lustige, schöne und glücklich machende Filme.
Den Sinn der Bücher habe ich noch nie ganz verstanden. Es sind so viele, und doch ist es im Endeffekt nur eines. Ein gewaltig großes und dickes, indem ich mich doch immer gut zurechtfinde. Einige Seiten tauchen zwar nicht wieder auf, aber so ist es auch mit einigen Filmen und Audiodateien, den Handlungstrang stört es eher selten.

Wenn es mir dort zu langweilig wird, kann ich auch einfach wieder zurück auf die Straße gehen und mich auf die Sandwüste zu bewegen. Allerdings kann ich die Straße irgendwann kaum noch sehen, muss ihren Verlauf erahnen, da sie ja komplett von Sand bedeckt ist. Kurven und Abzweigungen kann ich nur erahnen, ich bewege mich in ein großes Nichts, durch welches ich in dem Wissen gehen kann, dass ich vielleicht dabei bin, mich meilenweit vom richtigen Verlauf zu entfernen.
Hier gibt es auch eine Anlage, ein Theater und ein leeres Buch.
Die CDs, die ich in die Anlage lege, muss ich selbst bespielen, die Stücke, die ich mir ansehen und kreieren kann, sind rein fiktiv und werden vom Publikum so wahrscheinlich nie erblickt werden, und die Texte, die ich in das Buch schreibe, verblassen mit der Zeit, bis sie von meinen neueren Texten überschrieben werden. Es bleibt alles wage und unsicher, bis dann die Straße unter meinen Füßen auf einmal weniger vom Sand bedeckt ist und ich die Kurven und Biegungen sehen kann. Ich habe mich nie weit vom letzten bekannten Fleck der Straße entfernt.
Der Tag der Aufführung ist gekommen, eigentlich weiß ich nicht, was gespielt werden soll, darum muss meistens improvisiert werden. Natürlich hoffe ich, dass das Stück gut ankommt, doch ich habe es schon oft erlebt, dass ein Stück nach hinten losgeht. Auch bei anderen.
Oft frage ich mich, ob ich den Verlauf der Straße wohl irgendwann exakt vorhersagen kann. Es gibt Biegungen, die ich schon recht gut erahnen kann, doch dann tauchen Schlaglöcher auf, mit denen ich nicht gerechnet habe, welche mich ins Straucheln bringen.

Dann kommt der Moment, in welchem ich wieder auf der Straße stehe, und hinter und vor mir nur den Teer und den Sand sehen kann. Wenn alles andere kurz verschwindet, damit ich mich neu orientieren kann. In diesem Moment ist es ruhig, die Theateraufführungen sind vorbei, die Anlage ist still, das Museum ist geschlossen. Die Ruhe tut gut. Ich brauche den Leerlauf, um den weiteren Verlauf der Straße neu abschätzen zu können.

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