Donnerstag, 3. September 2015

Das Spiel

Ich habe einen der besseren Plätze erwischt. Bei mir sind nicht mehr viele Raucher, die Luft ist atembar. Man arbeite gar daran, die letzten Rauschwaden zu entfernen, hat man mir erzählt, auch wenn dies wohl nichts mehr bringen wird, da die Luft bereits so stickig ist. Es heißt, wenn es so weitergehe, würden wir nicht mehr lange weiterspielen können. Aber welchen Sinn hat das Spiel überhaupt? Obwohl es wohl an insgesamt immer mehr Tischen gute Möglichkeiten gibt, sind viele Spieler dem Rausschmiss wohl immer noch sehr nahe und die Bedingungen werden nicht besser.

Alles fängt mit dem Tisch an, den man zugewiesen bekommt. Mit dem ersten Blatt und dem Höchsteinsatz, welchen man nicht ohne weiteres verspielen darf.
Ich war nicht dabei, als es entschieden wurde. Wie das geschieht, das weiß keiner. Es heißt, man müsse Glück haben. Andere sagen, der Leiter des Kasinos würde den Platz zuweisen, da er auf den ersten Blick erkenne, was jemand in einem Spiel erreichen könne. Viele sehen in diesen Spekulationen den Sinn des Spiels. Sie sagen, es gehe nicht darum, wo und mit welchen Voraussetzungen man spiele, sondern darum was man aus diesen Voraussetzungen mache. An den Wänden sieht man Bilder von Spielern, die was erreicht haben oder noch erreichen wollen. Spieler, die ganz unten anfingen und dann am begehrtesten Tisch spielten, Spieler, die sehr viel Glück hatten und zum Dealer wurden. Spieler, die so gut spielten, dass sie Einfluss auf den Dealer ausüben konnten, was ihnen wohl mehr nützte, als selbst der Dealer zu sein. Auch gibt es Bilder von den Kindern der legendären Spieler, man fürchtet sie, doch zuweilen scheint ihnen der Ruhm auch nicht gut zu tun.
Wir sind sehr viele Spieler, und wir werden immer mehr, auch wenn sich die Tische nicht vergrößern. Zwar bilden sich hin und wieder noch neue Tische, doch diese waren dann mal vereint in einem großen Tisch. Es heißt, dass es bald nicht mehr genug Karten für die Spieler gebe. Und dass sich dann nur noch die guten Spieler über Wasser halten könnten.
Ein weiteres Kriterium für den Aufstieg als Spieler ist die Bedienung. Bei uns läuft die Bedienung flüssig, im Vergleich zu anderen werden wir sogar sehr gut bedient. Andere müssen sehr lange auf den Kellner warten, heißt es. Einige werden ihn auch niemals sehen.
Ohne die Bedienung wäre vieles gar nicht möglich. Man sagt, je besser die Bedienung ist, desto größere Aufstiegschancen gibt es für den Spieler am Tisch. Sie ermöglicht den Tischwechsel. Das Eintauschen von Chips. Die Beschaffung neuer Karten. Speisen und Getränke.

Vor einiger Zeit soll es hier noch anders zugegangen sein. Da soll die Luft besser, der Einsatz sowie der Gewinn sollen kleiner und die Bedienung nicht so wählerisch gewesen sein. Es passierte schneller, dass man um alles oder nichts spielte.
Aber die Regeln haben sich geändert. Die Taktik hatte sich verbessert. Es war leichter geworden, den Tisch zu wechseln. Doch war es schwieriger geworden, in den Kreis des Dealers aufzusteigen, obwohl der Einstieg für die Spieler deutlich einfacher geworden war. An den Tischen um mich herum, so heißt es, passierte es nur noch sehr selten, dass ein Spieler direkt nach der ersten Runde den Tisch verlassen musste. Doch gibt es wohl immer noch Tische, an denen die meisten Spieler keine zehn Runden überstehen. Wenn überhaupt. Dies sind die Tische, zu denen sich auch keine Bedienung begibt. Das ist auch der Grund, warum viele den Leiter des Kasinos in Frage stellen. Sie glauben nicht mehr daran, dass er seine Ordnung hergestellt hat, denn er würde viel mehr profitieren, wenn er für ausgeglichene Verhältnisse sorgte. Auch macht es sie stutzig, dass er keine klar definierten Regeln festgeschrieben hat. Alles, was er den ersten Dealern gegeben haben soll, war ein Leitfaden. Auch wenn einige sagen, dass sich die Dealer diesen selbst ausgedacht haben, um an allen Tischen die Macht zu behalten und die Ordnung zu wahren. Die Zweifler sagen gar, dass es den Leiter des Kasinos gar nicht gibt und niemals gab. Dass die Spieler sich ihre Dealer auserkoren und die Dealer Ordnung in das Spiel brachten.
An den meisten Tisch läuft es nach den selben Regeln, sodass die Allmacht des Dealers und der Zufall der Karten nicht in Frage gestellt wird. Hier und da soll es Tische geben, an welchen die Dealer die neuen Regeln nicht übernommen haben und nach einem alten Schema spielen, was die meisten Dealer, die zusammenarbeiten, verärgert.
Der allgemeine Eindruck ist, dass alles seine Ordnung hat und der Spieler beim Spiel auch profitieren kann. Wir haben die Freiheit, uns mit anderen Spielern zusammenzutun, um uns bessere Chancen zu erarbeiten. Allerdings halten die meisten dieser Allianzen nicht lange, da meist neue geschmiedet werden, wenn die alte einen nicht mehr voranbringt. Es gilt als altmodisch immer denselben Partner zu haben. Man sagt, dass dasselbe auch für die Dealer gilt. Die Dealer treffen Absprachen, sodass sich gewisse Tischgruppen zusammenschließen, damit dynamischere Spiele entstehen, von welchen am Ende alle profitieren sollen. Allerdings erzählt man sich auch von kritischen Stimmen, die das aus den sinnvollsten und unsinnigsten Gründen heraus hinterfragen.

Ich habe mich viel mit diesen Fragen beschäftigt, denn eines Tages möchte ich auch ein Dealer sein. Ich möchte herausfinden, ob es wirklich so läuft, wie man mir sagt, oder ob man mir das nur sagt, damit es so läuft. An den Wänden sind noch Plätze für neue Bilder.
Genauso wie viele andere auch möchte ich einen davon haben.

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