Als er später danach gefragt wurde,
wusste er selbst kaum, wie er es erklären sollte. Die Menschen, die
ihm nahestanden, hatten alle wissen wollen, wie und warum es passiert
war. Doch er selbst kannte die Antworte darauf nicht. Er wusste nur,
dass es so passiert war.
Er erinnerte sich, dass er an jenem Tag
aufbrach, um zu wandern, wie er es jeden Tag tat. Erst war alles so
wie gewohnt gewesen, er war sogar eine Strecke gegangen, die ihm
hinreichend bekannt war. Doch er war so gedankenverloren und auf das
Wanden fixiert, dass er nicht darauf achtete, wohin er eigentlich
wanderte, und dann irgendwann feststellte, dass er nicht mehr wusste,
wo er war.
Er blickte sich um, und stellte fest,
dass alles aber schöner und intensiver zu sein schien. Die Blätter
erstrahlten in einem satten grün, die Sonnenstrahlen wärmten und
berührten ihn auf einer sanftere und angenehmere Art und Weise,
selbst der Himmel schien klarer als sonst zu sein. Verwundert rieb er
sich die Augen, dann schloss er sie. Er nahm die Umwelt mit seiner
Nase wahr, auch die Gerüche waren intensiver, alles war irgendwie
schöner.
Wohlig schritt er nun gemächlich den
Weg entlang und sog die Eindrücke in sich hinein. Doch änderte sich
nichts an der Situation, dass er nicht mehr wusste, wo er war, und
das obwohl er gedacht hatte, jeden Weg bereits gegangen zu sein. Er
kam an eine Kreuzung, auch hier war der Wald allumfassend und der
Boden ausgetreten. Ihm gegenüber stand ein Pfahl mit
Richtungsweisern und er studierte ihn aufmerksam. Dann sah er die
Wege an, die er wählen konnte, und stellte fest, dass sein
Wohlbefinden einer dumpfen Erwartung und einer kleinen Spur Angst
gewichen war. Der Weg zu seiner Linken in Verbindung mit dem, was der
Wegweiser ihm in Aussicht stellte, schien ihm wenig erstrebenswert.
Über einen längeren Weg sollte er wieder zurück an den
Ausgangspunkt geführt werden, es war also ein Umweg. Er besah den
Weg und stellte fest, dass er unebener und steiniger war. Selbst mit
seinen festen Stiefeln würde er also Probleme haben. Auch wirkten
die Farben in einiger Entfernung nicht mehr so schön, und obwohl der
Wald an sich sich nicht verändert haben konnte, wirkte er
trostloser.
Der Weg zu seiner Rechten schien
leichter zu sein. Er sah aus, wie jeder andere Weg auch, wirkte nicht
einmal trostlos und er war sich sicher, dass er diesen Weg auch
kannte.
Doch der Weg geradeaus hatte es ihm
schon längst angetan. Er konnte fühlen, dass dieser Weg genauso
besonders sein würde wie der, dem er hierher gefolgt war. Doch
wusste er auch, dass er dann einem Weg folgte, der ihm unbekannt war.
Er spürte, dass dieser Weg eine harte Herausforderung werden könnte,
und fragte sich, ob er es nicht sogar bereuen würde, ihn
einzuschlagen.
Er zog sein Handy aus der Jackentasche
und rief einen Freund an, erzählte ihm, was vor ihm lag. Zu seiner
Überraschung lachte der Freund und sagte ihm, er müsse seine
Intuition entscheiden lassen, aber er könne ihm nur dazu raten, den
unbekannten Weg zu gehen, da er es sonst bereuen könnte, wenn er den
Weg nicht wählt und später nicht wiederfindet.
Seinem Herzen folgend wählte er also
den Weg geradeaus, zurück war keine Option, er musste und wollte
vorwärts kommen.
Also ging er geradeaus, folgte dem Weg
ins Unbekannte. Er musste zugeben, dass es ihn ein wenig
verängstigte, doch alles in ihm prickelte, er wollte es so. Sein Mut
und seine Zuversicht schwollen an, er war sich auf einmal sicher,
noch nie so viel Spaß beim Wandern gehabt zu haben.
Bis er dann eine traurige Gestalt am
Rand des Weges traf. Er ließ sich neben der armen Gestalt nieder und
fragte ihn, was er denn habe. Das verweinte Gesicht sah ihn an und
sagte, es sei sinnlos weiterzugehen, er hätte kein Glück gehabt und
wolle nun nicht mehr weitermachten.
Der Wandernde konnte ihn nicht
verstehen und fragte sich, ob nur er die Welt um sich herum so
wahrnahm, wie er es tat, oder ob er genauso enden würde, wenn ihn
seine Zuversicht verließ. Gerade als er dem Weinenden helfen wollte,
stand dieser auf und ging.
Stirnrunzeln blickte der Wandernde der
traurigen Gestalt nach und merkte, dass ihn Angst und Pessimismus
erfassten. Hatte die Gestalt recht gehabt? War es aussichtslos?
Gedankenverloren betrachtete er den Weg, den er bereits zurückgelegt
hatte und den, den noch vor sich hatte. Er wirkte steinig und schwer.
Er hatte sich nicht geirrt, dieser Weg hatte seine Tücken. Aber was
konnte ihm schon passieren? Im schlimmsten Fall gelangte er zu einer
Sackgasse und würde sich eingestehen müssen, dass es dieser Weg
nicht gewesen war, dass es hier für ihn nicht weiterging. Und im
besten Fall entdeckte er eine neue Route, wuchs über sich selbst
hinaus, und meisterte diese Herausforderung. Auch jetzt wollte er
nicht umkehren. Er war sich sicher, dass er es durchziehen wollte.
Der Wandernde hatte Glück. Er
erreichte sein Ziel, meisterte die Strecke und es war, als hätten
sieben Wolken ihn über jedes Hindernis schweben und alles in einem
anderen Licht erstrahlen lassen.
Noch oft wurde er gefragt, wie man
diesen Weg erfolgreich meisterte, und jedes Mal wieder sagte er, dass
man viel Glück und Willen brauche. Auch sagte er, dass nicht jeder
Weg für jeden geeignet sei. Denn manchmal konnte schon ein kleiner
Stein zur unüberwindbaren Hürde werden.
Doch warum ausgerechnet diese Strecke
ihn so verzaubert hatte, vermochte er nicht zu sagen. Er war nun mal
zufällig über sie gestolpert – und waren das nicht die besten
Wege?
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