Ich
komme aus der Dusche, vom warmen Wasser sind die Scheiben und die
Spiegel beschlagen. Ich wische über den Spiegel, doch was ich sehe,
bin nicht ich. Moment, das bin ich, nur um Jahre jünger. Ich
blinzle, das Spiegelbild ist wieder das Erwartete. Ich schüttele den
Kopf, ziehe mich an, doch der Eindruck und der Gedanke verschwinden
nicht. Ich mache mir einen Kaffee, lasse ihn aber stehen, und gehe
zurück ins Badezimmer. Das ist es wieder, mein jüngeres Ich. Haar-
und Augenfarbe sind die gleiche, mein Gesicht hat sich kaum verändert
– schmaler ist es schon. Aus der Küche höre ich das Radio, es
spielt diesen Song, den ich damals so geliebt habe. Erst lächele ich
nur, dann muss ich schallend lachen. Für einen Moment rücken meine
Aufgaben und Pläne für den Tag in den Hintergrund und ich muss an
meine alten Träume denken. Einige sind noch immer die gleichen,
andere konnte ich bereits in die Tat umsetzen. Ich gucke mein
jüngeres Ich herausfordernd an und es reicht mir die Hand – ich
ergreife sie und finde mich in einer Achterbahnfahrt der Erinnerungen
wieder. Die Fahrt ist rasend schnell, viel ist geschehen, so wenig
Zeit theoretisch vergangen. Ich sehe die Gesichter alter Freunde
wieder, laufe mit ihnen an warmen Sommertagen durch sonnige
Straßen, sitze am Laptop und schreibe mit einer guten Freundin,
unterhalte mich mit meinem besten Freund über meine kleinen
Geheimnisse und lache insgeheim über meine naiven Vorstellungen.
Mit Höchstgeschwindigkeit fahre ich durch die halsbrecherischen
Loopings meiner Vergangenheit, gelange zu meinen Hoch- und von
dort zu schnell zu meinen Tiefpunkten. Keuchend stehe ich wieder vor
dem Spiegel und blicke mein Spiegelbild an. Ich sehe, dass es
lächelt. Es hat ja auch Spaß gemacht. Ich gehe zurück in die
Küche, der Kaffee ist noch heiß, im Radio läuft noch immer mein
alter Lieblingssong, doch ist er in seinen letzten Zügen.
Melancholisch
trinke ich einen Schluck Kaffee, den ich vor nicht allzu langer noch
nicht so recht mochte. Wie jede Achterbahnfahrt war auch diese
zu schnell vorbei, was bleibt, sind das gute Gefühl und die Frage,
was aus all den Menschen geworden ist, deren Weg ich kreuzen durfte.
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